DICHTUNG und WAHRHEIT

ein paar kleinigkeiten

so hab ich die lose-blatt-sammlung meiner kleinen verse, gedanken und
wortspielereien genannt, die hauptsächlich in den jahren 1972 bis 1996
nach intensiven briefwechseln entstanden sind


 

vor wort

am anfang war
das weib
war empfindsamkeit

dann kam
das wort

 

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erster lichtblick
oder
geburt

sprachlos geboren
öffnete ich die augen
sah
und schrie

gott weiß warum

 


kal1.11

geboren

ich wurde geboren
und lebte
und lebe

ich lebe
und liebe

was bliebe
denn sonst
zu tun

 

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entwicklung

erst einheit
dann vielfalt
und dann

vielfältige einheit

 


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zeitgedanken

gedanken – zeit
und zeit – gedanken
und so manches kommt ins wanken

panta rhei – alles fließt
im fluß der zeit
ewiger zeitlosigkeit


hiddensee. wellen vor hiddensee

 

veränderung durch druck
fußnote

fußnote wollte nicht mehr
unten stehn
am rand

so ging sie und drückte
die schul-
bank
bank-note
wollte sie werden

nun hat sie’s geschafft
ist bedruckt und
mit nummer versehn
und braucht nicht mehr
unten zu stehn
am rand

jetzt geht sie
schweigend
von hand zu hand
und kommt
sich verloren vor

ps: wäre sie geblieben was sie war
hätte sie etwas zu sagen gehabt



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selbstgespräch

ich spreche mit mir
ich sage du und meine mich
und merke daß mein ich
gespräche führt
mit meinem
selbst


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bewußtseinundwerden als einheit

bewußtes sein
schafft gegensätze

bewußtes werden
vereint


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in dividuum

teile mich
und du erhältst einen
bruch
der nicht aufgeht
ohne rest

 

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wissen ist macht

manchmal weiß ich
und mache

manchmal mache ich
und weiß nicht

manchmal mache ich nicht
weil ich weiß

und manchmal macht es nichts
daß ich weiß

 

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vom umgang mit menschen

sie gehen miteinander
um
und gehen um sich
herum

sie suchen den andern
und finden nicht
sich
und sehen ihr ich
umgangen vom
andern

 

CD3.12

 

in gedanken an schopenhauer
wenn – dann

wenn
wille leid ist

und wenn
liebe mitleid ist

dann
will ich nicht mehr
lieben

dann
bin ichs leid


kal1.12

 

zeitgedanken

ich hab gedanken habe zeit
und manchmal entsteht ein streit:

streit der gedanken
um
die
zeit


kal1.10

 

baum und mensch

der baum
zum baum-sein geboren
ist baum
wird baum
ist baum im werden

der mensch
zum mensch-sein geboren
ist „kind“
wird „erwachsen“
und vergißt sein menschsein
immer mehr

 

kal1.9

 

unbedingte hingabe

ich gebe mich hin
so
wie ich bin

bedingungslos


 

schönberger landstr. 104,

 

unmittelbarkeit
(in gedanken an leben und religion)

unmittelbarkeit
mitteilbar machen

unmittelbar leben

damit sich zeigt
daß wir auch ohne mittler
nicht mittellos
sind


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frühlingserwachen

ich liege im gras
und wachse

ich sitze am fluß
und werde

und fühl mich wie die erde
erwärmt von der sonne


A

 

 über flüssige worte

worte
über flüssig

ihren inhalt
können sie nicht fassen

wollen form sich
geben lassen
im erleben

 

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streber

als er klein war
wollte er groß werden

jetzt ist er
kleinlich


amrum, dünen + kniepsand im winter

standpunkt

wer auf seinem
standpunkt
lange steht
und gar nicht
weiter geht
der
hat ihn  bald

ver treten

 

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jede furcht ist ein kleiner tod

jede furcht ist ein kleiner tod
weil jede kleine furcht
uns eine möglichkeit nimmt
die hätte wirklichkeit werden können

 

 

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zeitwende

zeitwende
wende ohne ende
wie das rad der zeit
im strom derselben

 

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strom des erlebens

strom des erlebens
fließt
ins meer der verinnerlichung

pegel der erkenntnis
steigt
mit zunehmender tiefe

an den ufern des bewußtseins
brandung der gefühle

erinnerungen und gedanken
gestrandetes treibholz

ich sammle es
und
entzünde das feuer


 

 

darum
eine idee

aufgefallen
war sie ihm
er
brachte sie um
nun liegt sie
ungebraucht
da
rum


 

baum 4

 

fragen

ich du
er sie es
wir

fragen

ich frage
du fragst
er fragt sie
und es
weiß keine antwort

wir fragen
wonach
?

 

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was ist ein

heit

?


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alkoholismus

die hoffnung ist
blau 

 

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wirtschaftswachstum

anzahl der kneipen
steigt

 

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fortschritt

ob wir ihn wieder einholen ?

 

 mönkeberg, kondenswasser a.d. scheibe, abendlicht

 

wachstumsschmelze

zuviel reibung
erzeugt zuviel
hitze

und das wachs
schmilzt
und läuft weg

wenn auch nur
tropfenweise


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sinnloses streitgespräch
mit schlagworten

mit worten
die mit ihrem inhalt
ihre schlagkraft verloren
schlagen sie schlachten
mit viel lärm
um nichts

 

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der störenfried
im lebenskampf

da kommt er mit seinem
frieden
und stört uns beim
kriegen

 

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zeitgedanken

augenblick

der augenblick
dreieinigkeit der zeit:
gegenwart
mit zukunft und vergangenheit

uhrzeit

unzeit der urzeit?

 

winterbaum

 

winterlied

kälte klirrt
in vereisten ästen
schwarzer bäume

schneeweise räume
durchschreitend mit
gedämpftem schritt

schweigend wie das
schweigen verschneiter träume
bleiben gedanken still zurück

zeit bleibt stehn in
schwarzschweigenden bäumen
gräser und steine schlafen
in verschneiten träumen

große weiße stille
verborgenes leben
verborgene fülle

 

winterlandschaft

 

zeitgedanken

zeit vergeht

zeit vergeht
wie der wind
vom winde verweht
ein ständiges sein
das in bewegung steht

bewegtes stehn
ist
wie ein weitergehn
wenn auch nur
in gedanken

  regenbogen + fotograf

freiheit

ich weiß
woran ich mich
halten kann

 

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meeresbusen

im märz geboren
bin ich fisch

am busen des meeres
liege ich
und stille
mich

 

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zeitlose empfindung am meer
oder
gedanken und gefühle am wasser


eine aufforderung mehr zu schreiben
ich möchte gern aber
zur zeit spuken mir zu viele
morgennebel-schleierhafte gedanken
durch den kopf
ziehen feucht und lautlos
wie nichts
dicht über den boden
auf dem ich mich befinde
aus dem heraus gras wächst
und sand
und steine
und das meer

lastend und doch schwebend
ziehen sie dahin
die grauen gedankennebel

unfaßbar den gewohnten horizont
verschleiernd
aufhebend

und manchmal glaub ich gar
das gras wachsen zu hören
und der steine reden
und das im selbstgespräch versunkene meer

und ich höre
ohne zu verstehen
denn der verstand
ist unbeteiligt
und fühle

und wieder flimmert der horizont
gewohnten
gewöhnlichen denkens
in der hitze des mittags

und wie durch luftspiegelungen
wird weitentferntes sichtbar
mögliches vorstellbar
und hinter dem horizont-des-jetzt liegendes
taucht ahnungsvoll auf

der tag geht
und die nacht kommt
kühl
und weit
und sternenklar
und hüllt den tag in schweigen

ich sitz an der steilküste
und schaue zu
den lichtern der stadt der boote
und dem ovalen mond

ruhiges wasser
nur kleine wellen
verteilen reflektierend
das gelbe mondlicht
über das wasser

eine fähre kommt
fast geräuschlos
durchs ruhige wasser
und teilt für kurze zeit
die spiegelungen des mondlichts
bis gleichmäßige wellen sie
wieder vereinen

das wasser riecht angenehm
nach tang und algen
und die feuchtigkeit des grases
dringt allmählich durch die kleidung

ich geh durch den feuchten sand
am wasser entlang
und setz mich
zu den steinen

der mond wandert
um ein paar daumensprünge weiter
und die gedanken ähneln
dem mondschein auf dem wasser

es ist irgendwie schön
irgendwie seltsam schwer
nicht bedrückend
aber auch nicht leicht

da sitz ich am strand
mitten in dieser nächtlichen welt
und bin verliebt in diese welt

bin verliebt
und schweige
und teile mein schweigen
mit wasser und mond
mit den fernen sternen
und der nahen feuchtigkeit des grases
mit den schweigenden grauen steinen

und hätte gern jemanden
der mit mir schwiege

 

mönkeberg, anleger bei nacht


das einfache leben

wir können uns teilen
aber nicht
verdoppeln

leben wir
ein fach!

 

609.8a1200

 

einheitliche weltanschauung

ich schaue die welt an
und glaube

ich schaue die welt an
und liebe

ich schaue die welt an
und sage

ja!

 

171.12a1200

 

schreiben

je mehr ich daran denke
zu schreiben

um so bedeutender wird mir
das schweigen

 

480.4-1200

 

fallende worte

immer wieder
fallen worte
fallen ein und fallen aus
fallen aus dem schweigen

immer wieder
fallen worte
fallen auf und fallen ab
wie vom baum das blatt

fallen ab und fallen auf
fallen aufs papier
und stehn dann
hier

 

 

glückstadt, am fleth 36, druckerei augustin

 

tun und sagen

sag was du willst

auf das tun
kommt es an

 

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trägheit der massen

wir können sie überwinden

einzeln

 

 

mönkeberg, "tanz i.d. sonne, mücken, gegenlicht

 

sinn des lebens

das leben fragt

ich
antworte

 

blick vom hessenstein

 

mein glück

ich brauche
stille

und finde sie
in
 mir

 

hohenfelde, strand, , wolken

 

staatssicherheit
statt sicherheit

dem kleinen mann
setzen sie nen floh ins ohr

den größeren
ne wanze ins bett

 

 

kiel, seegarten, spiegelungen

 

schneeflocken

manchmal sind die gedanken wie
die wenigen schneeflocken gestern
über dem wasser

vom wind wild durcheinander gewirbelt
fallen und steigen
und fallen
fallen aufs wasser
fallen ins wasser
verschwinden sanft
fast zärtlich
tauchen ein
ins große wasser
vom nachlassenden wind
geglättet

blaugraues
silbergraues
schweigen

 

kiel, sartori-kai, eis

 


verloren zwischen nacht und traum

verloren zwischen nacht und traum
in worten ganz aus haut
so werden wir
geboren

geboren als ein lebensraum
voll von empfindsamkeit
den nur berührung und beziehung füllt

geboren als ein lebensdurst
den nur zärtlichsein
und lieben stillt

geboren als ein
ich dem du
damit es sich erfüllt

 

P5131270Ad1200

 

cogito ergo sum
???

ich liebe
also bin ich
!